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Tier- und Naturschutz Hamburg-Rahlstedt e.V.

Gemeinnütziger Verein zur Förderung des Tierschutzes

 
 
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Insekten: Wespen, Hornissen, Hummeln und Bienen

Teil II: Biologie und Lebensweise, Teil B

Dieser Beitrag enthält einige interessante, vertiefende und weniger bekannte Teilaspekte zur Biologie und Lebensweise sozialer Hymenopteren.

Die Wespen haben das Papier erfunden

Bereits ca. 80 Millionen Jahre bevor es Menschen gab, haben die Wespen Papier als Baumaterial entwickelt. Daraus stellen sie das gesamte Nest mit allen Strukturelementen her, weshalb die Gruppe der Faltenwespen auch als Papierwespen bezeichnet wird. Zur Gewinnung des Grundmaterials nagen die Tiere Fasern von verschiedenen Holzoberflächen ab. Hornissen (Vespa crabro) und die gemeine Wespe(Vespula vulgaris) verwenden dafür ausschließlich morsches Holz. Die übrigen Wespen suchen sich gesundes Holz, das an der Oberfläche angewittert sein sollte. Es werden immer nur hauchdünne Schichten abgetragen. Deshalb ist in keinem Fall zu befürchten, dass durch diese Nagetätigkeit statische Probleme entstehen können. Die abgenagten Fasern feuchten die Tiere dann mit Speichel an und erhalten so eine vielseitig verarbeitbare Papiermasse. Diese wird als gut transportables Klümpchen zwischen Mandibeln und Vorderbeinen im Flug zum Nest getragen. Dort wird die Masse dann mit Hilfe der Mandibeln in Form schmaler Streifen angearbeitet. Die Streifenstruktur ist an den späteren Nestteilen deutlich erkennbar. So werden nach und nach alle Neststrukturen, also Hülle und Waben, aufgebaut.

Wespen sind kunstfertige Baumeister

Bei einem typischen Wespennest sieht man zunächst nur die ballonartige Nesthülle. Diese ist oft aus mehreren Schichten mit Luftkammern aufgebaut. Sie dient zur Klimatisierung und Wärmeisolation. Innerhalb der Hülle befindet sich der Wabenstock. Er besteht aus mehreren untereinander hängenden Wabenetagen. Jede Wabenfläche ist aus sechseckigen Zellen aufgebaut. Die Waben hängen waagerecht, mit den Zellöffnungen nach unten, eine Wabenetage unter der anderen. Diese nach unten offenen Zellen dienen als Brutkammern, in denen sich die Larven, kopfüber hängend, entwickeln.

Hellnister, Dunkelnister

Bei der Wahl des Nestortes orientieren sich einige Wespenarten sehr streng an bestimmten, offenbar genetisch festgelegten Vorgaben. Ausgeprägte Dunkelnister, wie z. B. die Deutsche Wespe (Vespula germanica) und die Gemeine Wespe (V. vulgaris), legen ihre Nester so gut wie nie offen im Freien, sondern fast ausschließlich in dunklen Hohlräumen an. Das geschieht häufig in unterirdischen Mäusegängen, die erweitert und ausgebaut werden, aber auch unter Dachpfannen, in Hohlmauerwerk, Rolladenkästen, Geräteschuppen etc. Im Gegensatz dazu ist z.B. die Mittlere Wespe (Dolichovespula media) eine typische Hellnisterin. Sie wählt so gut wie immer offene, sehr helle Nistplätze, beispielsweise unter Dachvorsprüngen oder im Gezweig von Sträuchern. Sehr flexibel bei der Wahl des Nestortes ist dagegen z. B. die Sächsische Wespe (D. saxonica). Wir finden Nester dieser Art in Hecken, aber auch in relativ dunklen Dachböden.

Hummelnester sind ganz anders

Hummelköniginnen sind für die Nestgründung darauf angewiesen, dass bereits Nistmaterial vorhanden ist. Dieses wird als Wärmeisolierung für das künftige Nest benötigt. Dafür kommen Materialien in Betracht, die von den Tieren zurechtgezupft und entsprechend angeordnet werden können wie z. B. Tierhaare, Pflanzenfasern, trockenes Moos, aber sogar auch Glaswolle.
Darüber hinaus stellen die Hummeln ein charakteristisches Baumaterial auch selbst her. Es handelt sich dabei um ein spezielles Hummelwachs, das ähnlich wie bei den Honigbienen "ausgeschwitzt" wird. Es ist fettig-wasserabstoßend und knetbar. In dieser Hinsicht hat es ähnliche Eigenschaften wie das bekannte Bienenwachs. In der Zusammensetzung unterscheidet es sich aber grundlegend davon. Es wird zur Festigung des vorgefundenen Nistmaterials und zur Herstellung der Brut- und Vorratszellen verwendet. Sie sind, anders als bei Bienenzellen, nicht sechseckig, sondern haben eine tönnchenförmige Gestalt. Außerdem stehen die Zellen aufrecht und sind unregelmäßig neben- und übereinander angeordnet, also nicht in Form von Waben. Herstellung der Brut- und Vorratszellen verwendet. Die meisten Hummelarten legen ihre Nester am oder im Erdboden an. Besonders attraktiv sind offenbar alte Mäusenester. Die Baumhummel (Bombus hypnorum) bevorzugt, wie der Name schon andeutet, hoch gelegene Ansiedlungsorte, nicht selten Vogelnistkästen. In manchen Fällen trifft man aber auch Nester anderer Hummelarten an solchen Standorten an.

Volksgröße und Lebensdauer der Völker

Die Gemeine und die Deutsche Wespe können Völker mit 5.000, teilweise sogar mit bis zu 10.000 Tieren bilden. Beide Spezies sind – verglichen mit anderen einsommerigen Arten - langlebig, so dass sie i. d. R. erst im Spätherbst, oft mit Eintritt der ersten Fröste, ihr Lebensende erreichen.
Hornissenvölker existieren nicht so lange, aber sie können immerhin noch bis in den Oktober aktiv sein. Ihre Völker bestehen meist aus deutlich weniger als 1000 Tieren.
Bei allen übrigen Wespenarten (Langkopfwespen, Rote Wespe, Feldwespen) bleibt die Zahl der Individuen je Volk mit 50 bis 300 Tieren demgegenüber gering. Ihre Lebensdauer ist kurz. Ihre Nester sind meist schon gegen Ende August, oft deutlich früher, verlassen.
Auch Hummelstaaten bleiben verhältnismäßig klein. Die meisten Arten kommen lediglich auf 50 bis 250 Mitglieder. Nur wenige Arten können Volksgrößen von etwa 500 Tieren erreichen. Die Lebenszeit der Hummelvölker ist recht kurz.

Zucker zum Fliegen und Heizen, Eiweiß für die Vermehrung

Wespen, Hornissen, Hummeln und Honigbienen benötigen Energie zum Fliegen und Heizen. Zucker ist der hierfür verwendete Energieträger. „Zucker ist das Kerosin der Insekten“. Die hauptsächlichen natürlichen Quellen sind Blütennektar, Pflanzensäfte und süße Früchte. Nur zwei der 12 Wespenarten (Vespula vulgaris und V. germanica) betrachten auch z. B. Kuchenbelag als lohnende Energiequelle. Die zweite wesentliche Nahrungskomponente ist Eiweiß. Es wird zur Produktion von Eiern und zur Aufzucht der Brut benötigt. Als Eiweißquellen kommen Blütenstaub und Fleisch in Betracht. Hummeln und Bienen decken als typische Sammler ihren Eiweißbedarf mit Blütenpollen. Um das wegen seiner pulverigen Konsistenz schlecht transportierbare Material doch effektiv ins Nest bringen zu können, sind sie mit besonderen Sammeleinrichtungen (Körbchen und Bürste) ausgestattet. Hornissen und die anderen Wespen sind Jäger. Für sie ist das Fleisch von Beutetieren die Eiweißgrundlage. Dazu überwältigen sie andere Insekten, manche Wespen nutzen auch Aas. Die Beute wird meist gleich an Ort und Stelle vorverarbeitet, d. h. nicht verwertbare Teile wie Flügel, Beine, Kopf und Hinterleib werden abgetrennt und die Flügelmuskulatur wird dann zu einem Fleischklümpchen durchgekaut. Dieses wird anschließend zum Nest transportiert und dort an die Brut und an die Königin verfüttert.

Vorräte nur für wenige Tage

Die Völker der Wespen, Hornissen und Hummeln benötigen, da sie einsommerig sind, keine Wintervorräte. Ihre Reserven reichen lediglich, um kurze Mangelsituationen zu überbrücken. Daraus resultiert, dass diese Tiere auch bei bedecktem Himmel, bei regnerischer und relativ kühler Witterung zur Futterbeschaffung ausfliegen müssen. Hummeln können, im Gegensatz zu Honigbienen, auf Grund besonderer physiologischer Anpassungsmechanismen schon bei Temperaturen von ca. 6 Grad fliegen. Auf diese Weise gehören sie mit zu den ersten Pollensammlern und Blütenbestäubern im zeitigen Frühjahr.

Tag-Nacht-Aktivität

Hornissen fliegen regelmäßig auch die ganze Nacht hindurch. Das Gleiche gilt während der Nestgründungsphase für die Königinnen von Vespula vulgaris und wahrscheinlich auch für die der anderen Wespenarten. Dagegen sind Wespenarbeiterinnen nachts normalerweise nicht unterwegs. Im Herbst sind sie allerdings oft bereits früh morgens, wenn es noch sehr dunkel ist, auf Futtersuche und werden dabei durch künstliche Beleuchtung in erheblichem Maß angezogen. Offenbar reicht die in dieser Jahreszeit kurze Tageslichtphase nicht mehr zur vollständigen Versorgung der Völker aus.

Ökologische Bedeutung

Ein starkes Wespenvolk erbeutet pro Tag die sehr beachtliche Menge von etwa einem halben Kilogramm Insekten (Mücken, Fliegen, Bremsen usw.). Auch die Aasverwertung mancher Wespenarten ist erheblich. Andererseits sind die Insektenvölker, insbesondere ihre Brut, Teil der Nahrungsgrundlage anderer Tiere (Fuchs, Dachs, Marder, Wespenbussard u.s.w.). So stellen sie wichtige Faktoren für den Gleichgewichtsprozess in der Natur dar.

Hummeln vollbringen bei ihrer Sammeltätigkeit besondere Bestäubungsleistungen. Da sie auch bei kühler und feuchter Witterung aktiv sein können, sind sie u.a. wichtig für viele frühblühende Pflanzen. Außerdem kommen sie durch ihre verschiedenen Rüssellängen mit sehr unterschiedlichen Blütenbau-Typen zurecht. Auf diese Weise sind sie eine bedeutende Komponente im Zusammenspiel von Fauna und Flora.

Seitenanfang

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

 

Teil I: Biologie und Lebensweise, Teil A
Wespe oder Biene?

Evolution von Insektenstaaten
Einsommerige oder mehrjährige Völker
Nestgründungsvarianten
Lebensablauf einsommeriger Völker
Besonderheiten in der Biologie einzelner Gattungen und Arten
Regulation des Nestklimas
Arbeitsteilung
Kommunikation
Überwinterung

Teil II: Biologie und Lebensweise, Teil B

Die Wespen haben das Papier erfunden
Wespen sind kunstfertige Baumeister
Hellnister, Dunkelnister
Hummelnester sind ganz anders
Volksgröße und Lebensdauer der Völker
Zucker zum Fliegen und Heizen, Eiweiß für die Vermehrung
Vorräte nur für wenige Tage
Tag-Nacht-Aktivität
Ökologische Bedeutung

Teil III:

Verwandtschaft - Systematik – Bestimmung
Verwandtschaftliche Stellung der sozialen Insekten
Termiten sind keine Ameisen
Bestimmung - Möglichkeiten und Grenzen
Bestimmung am lebenden Tier: 'Tüten-Methode'
Wichtige morphologische Merkmale
Morphologie einzelner Gattungen und Arten
Feldwespen (Polistes)
Hornissen (Vespa crabro)
Kurzkopf oder Langkopf?
Kurzkopfwespen (Vespula)
Langkopfwespen (Dolichovespula)
Auch Wespennester liefern Bestimmungshinweise
Nester der Feldwespe
Hornissennester
Nestfärbung
Erdnester
Nester im Freien

Teil IV:

Bekämpfung oder Schutz?
Insektenansammlungen ohne Nest
Wespe ist nicht gleich Wespe
Hornissen sind besser als ihr Ruf
Hummeln sind meist friedlich
Naturschutzbestimmungen beachten!
So können Mensch und Tier zusammenleben
Schutzmaßnahmen als Dienstleistung
Umsiedlungen sind aufwendig
Betriebswirtschaftliche Aspekte zur Umsiedlung
Manchmal muss Vernichtung sein
Sonderfall Allergie